Leitbild und Bedürfnisse

(von meinem Lehrer Dr. Friedrich Assländer)

Ein Kernsatz der Wirtschaftswissenschaften lautet: Die Aufgabe der Wirtschaft ist es, die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen. Was genau sind diese Bedürfnisse? Dazu bekommen wir von den Betriebs- und Volkswirten keine Antwort, sondern eine perverse Ansicht aufgetischt, es müssten immer wieder neue Bedürfnisse erzeugt werden. D.h. nichts anderes, „die Wirtschaft“ erzeugt durch Werbung ständig neue Unzufriedenheit, künstliche Bedürfnisse, die Leid mit sich bringen, wenn sie nicht erfüllt werden oder wenn das in der Werbung versprochene Glücksgefühl nicht dabei ist, ganz abgesehen von Problemen wie Konsumsucht oder Schuldenfalle. Das heißt aber auch, es gibt Bedürfnisse auf einer Ebene, die nicht von der Wirtschaft und ihren Erzeugnissen befriedigt werden können, auf die aber Werbung abzielt, indem sie „Glücksgefühle“ verspricht.

Konsum macht nicht glücklich, schon gar nicht dauerhaft. Sehr wohl aber entsteht Glück, wenn wir etwas geleistet oder erreicht haben, eine bestandene Prüfung oder eine (endlich) erledigte Arbeit. Am sichersten und einfachsten erreichen wir Glücksgefühle, wenn wir Ziele haben, für jeden Tag, und das Erfolgsgefühl genießen, wenn wir sie erreicht haben.

Unternehmen, die das erkannt haben, tragen zum Glück ihrer Mitarbeiter bei, wenn sie die Menschen und ihre nicht-materiellen Bedürfnisse in den Blick nehmen. Die Frage ist simpel: Was braucht der Mensch um glücklich zu sein und was können Unternehmen dazu beitragen? Es ist vorrangig gute Führung, die die Menschen sieht und ihnen hilft Erfolge zu erzielen, und es ist die Orientierung an gemeinsamen Werten, denen sich ein Unternehmen verpflichtet.

Wir müssen aber unterscheiden: Das, was Unternehmen bieten, Gehalt, soziale Leistungen, macht zufrieden, löst aber schnell Gewöhnung und damit Anspruchsdenken aus. Das ist wichtig, genügt aber nicht. Das, was motiviert, sind die Aufgaben und die Herausforderungen, die Erfolgserlebnisse ermöglichen. Der Kick ist das Risiko, schaff ich es oder nicht. Herausforderungen entsprechen dem Wesen des Menschen, der sich in polaren Spannungsfeldern bewegt, also immer wieder Spannung abbauen muss, was als lustvoll erlebt wird. Zentral ist beispielsweise die Spannung zwischen dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit und dem Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Autonomie. Ein Leitbild mit klaren Werten, die gelebt werden, bietet beides. Es besagt, wenn du unsere Werte lebst, gehörst du dazu, aber du bestimmst selbst, wie du diese Werte lebst.

Auf den Menschen bezogene Werte, die gute Unternehmen mit ihren Mitarbeitern erarbeiten, befriedigen aus dem Katalog der menschlichen Bedürfnisse fast alles, was wesentlich ist. Neben unseren physiologischen Bedürfnissen, wie Nahrung und Schlaf, bedrängen uns vor allem Sehnsucht nach Ordnung, Eros, Bewegung, Herausforderung, Zugehörigkeit, Ansehen, Identität, Sinn, Autonomie und Bindung. All das kann in Unternehmen gelebt und erlebt werden. (Eros meint nicht Erotik, sondern leidenschaftliche Hingabe oder Freude an Schönem und Gutem.)

Die Hotelkette Usptalsboom erhebt mit einem Wertebaum von zwölf Werten den Anspruch, Mitarbeiter zu glücklichen Mitarbeitern zu machen. Unter diesen Werten sind kein einziges betriebswirtschaftliches Ziel, sondern ausschließlich menschliche Werte, wie Vertrauen, Fairness u.a.. Innerhalb von wenigen Jahren hat sich das auf allen Ebenen ausbezahlt, die Zahlen sind höchst positiv, sie sind aber nicht das Ziel, sondern Ergebnis, Folge,
Erfolg im eigentlichen Sinn, das was folgt. (www.upstalsboom.de/wertebaum.html)

Bei der Entwicklung von Leitbildern und Werteorientierung erlebe ich immer wieder, dass die Umsetzung in das tägliche Tun die eigentliche Hürde ist. Der Weg vom Hochglanzprospekt zu einer Werte-Kultur ist die Herausforderung, die eigentliche Investition. Verinnerlicht und umgesetzt werden Werte, wenn sie im Bewusstsein verankert sind. Bewährte Wege sind Workshops, Schulung, und Systeme, die den Fokus immer wieder auf „unsere Werte“ richten. http://asslaender.de/